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20.04.99

 

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Backschaft auf See

Jetzt werden wohl einige fragen: "Hä, Backschaft, wat is dat denn??" Also Backschaft heißt kochen, servieren, spülen und alles, was irgenwie mit der Mahlzeit zu tun hatte, also auch zum Beispiel Tische, etc., sauber zu machen. Ich bin mir natürlich im Klaren darüber, daß jetzt einige Leute trotzdem nichts mit dem Begriff "Backschaft" anfangen können, weil sie grundsätzlich nur mit ihrer treusorgenden Frau/Freundin oder beiden unterwegs sind. Das soll natürlich nicht heißen, daß hier an dieser Stelle Frauen diskreminiert werden sollen. Aber sein wir doch mal ehrlich, meist sieht es doch wie oben beschrieben aus, oder?? (Gegenteilige Erfahrungen können uns gerne mitgeteilt werden. Wir werden versuchen, das Problem zu analysieren und eine Lösung aufzuzeigen)

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Also wir fangen bei Adam und Eva an (s.a. Kochbuch: Büchsengulasch). Essen kocht sich nicht selbst und Geschirr spült sich auch nicht selbst! Entgegen der landläufigen Meinung gibt es an Bord auch keine Heinzelmännchen. Wir versuchen uns also einmal in die Situation an Bord hineinzuversetzen:

Nach einem anstrengenden Schlag ist die Crew abends ins Bett gegangen und morgens rührt sich so langsam leben an Bord, weil die Sonne schon aufgegangen ist und einige, für mich unverständlich, an Bord sowieso nicht lange schlafen. Der erste tritt aus seiner Kabine. Tapptapptapp. Reibt sie die noch schläfrigen Äuglein wankt zum Kartentisch und stellt erstmal die Funke an, um den Wetterbericht zu hören. Schlaftrunken nimmt er auch pflichtbewußt Stift und Papier und schreibt brav mit. Der Wetterbericht ist durch. Crewman X immer noch schweinemüde entschließt sich wieder in die Koje zu wanken. Knirsch!! Was ist das denn. Uahhh. Wer hat denn gestern die Chips auf den Boden geschmissen. Was war eigentlich gestern nach dem Einlaufen noch????? Der Blick wandert Richtung Tisch... Eine Frage schießt Crewman X unwillkürlich durch den Kopf: "Wer hat heute früh eigentlich Backschaft???", gleichzeitig betend, daß er es nicht ist. Auf dem Tisch stehen oder liegen, je nach Betrachtungsweise, noch Bier-, Wein- und Schnapsflaschen, Reste des Abendessens (die nicht unbedingt auf dem zugehörigen Teller sein müssen) und und und... Bevor ein völlig falscher Eindruck entsteht, möchte ich allerdings an dieser Stelle sagen, daß es bei uns zwar auch manchmal wüst aussieht, allerdings die Situation ob des besseren Verständnisses natürlich völlig überzeichnet ist.

Jetzt steht Crewman X vor einer schwierigen Entscheidung. Soll er zurück in die Koje, soll er schon mal anfangen, das Chaos zu beseitigen oder soll er die Mitsegler aufwecken, die Backschaft haben und sich dann erst in die Koje legen??? Da ich hier den Begriff "Backschaft" beschreiben will, entscheidet sich Crewman X natürlich inkollegialerweise für letztere Alternative. Er weckt freundlich die Leute die Backschaft haben (Hey, Ihr faulen Säcke, aufwachen, ich habe Hunger!) und überläßt diese dann ihrem Schicksal. Die Backschaftsangehörigen stehen auf (gaaannz laaaanngsaaaaaam) und legen sich ob des herrschenden Chaos gleich wieder flach auf die Planken der Pantry. Das mehr oder weniger leise Fluchen wird dann irgendwann übertönt von Geklapper. Der erfahrene Segler wird wissen: Aha, jetzt spülen sie.

Spülen: In der Hoffnung, daß noch genügend Süßwasser vorhanden ist, abwaschen der noch benötigten Gegenstände, die man so zum Leben braucht (nicht das, was Du jetzt meinst. Nein, Teller, Gläser, Bestecke; das Navbesteck und alles, was damit zu tun hat, bleibt natürlich unter normalen Umständen verschont!). Jetzt ergibt sich aber ein neues Problem. Die offenen Lagermöglichkeiten auf Schiffen für abzuwaschendes und die Spülen sind grundsätzlich zu klein. Das ist dann der Punkt, wo man nachdenken muß. Also erstmal alles zu spülende Geschirr in die eine Ecke (von mir aus auch in die eine Ecke des Tisches). Spül- und Abtrockenkolonne aufgestellt und dann das Geschirr gespült, abgetrocknet und auf den (zuvor nicht gereinigten) Tisch getan. Der aufmerksame Leser wird sich jetzt denken: Aha, da ist aber ein Fehler. Frisch gespültes Geschirr auf dreckigen Tisch??? Ich kann dazu nur sagen: Richtig. Aber es passiert immer wieder, da man schlaftrunken, wie man nun mal ist, die doch zugegebenermaßen etwas schwierige Lage nicht überblicken kann. Resultat: Ähh, kann das einer mal halten?? Wir müssen noch den Tisch sauber machen!

Diese Hürde ist kaum umschifft, da tut sich eine neue Hürde auf. "Kannst Du nicht langsamer spülen? Wir kommen mit dem Abtrocknen nicht nach!!" "Okay, ich stelle das Zeug zum Abtrocknen hierher auf den Tisch!" Was passiert nun?? Der Tisch hat in der Regel für Ecken. In der einen Ecke steht das Dreckgeschirr, in der zweiten das fertig abgetrocknete Geschirr, das man nicht einsortieren kann, weil es über der Spüle verstaut werden muß, an der jetzt einer zwangsläufig steht und in der dritten Ecke, das Geschirr, was gespült ist, aber noch nicht abgetrocknet. Da man natürlich nicht auf die Idee gekommen ist, ein Handtuch unter das noch nicht abgetrocknete Geschirr zu legen, entsteht auf dem Tisch langsam aber sicher eine Pfütze, die sich mal hierher, mal dahin ausbreitet. Ein Schiff fährt vorbei. Alle sind fasziniert und schwups hat sich die Pfütze in Richtung abgetrocknetem Geschirr verlagert.

Kommst Du noch mit, lieber Segelfreund?? Mir geht es in der Praxis auch ab und zu nicht anders.

Das Geschirr ist nun verstaut, die in der Spülwasserpfütze des Tisches eingeweichten Nahrungsreste entfernt und alle sind glücklich und zufrieden. Alle??? Nicht alle. Denn die Leute, die nicht Backschaft haben, wachen langsam auf und wollen Frühstück haben. Also Teller auf den Tisch, Kaffee gekocht, einer geht Brötchen holen (s.a. Navigation: Brötchennavigation) und der Rest richtet Milch, Cornflakes, Marmelade, Eier, Tee und was weiß ich noch alles her.

Wenn alles beisammen ist (meist dreht es sich nur um Stunden) folgt dann das entspannende Frühstück, was zur Folge hat, daß die Pantry wieder so aussieht wie kurz nach dem Aufstehen. Freude macht sich breit und keiner hat natürlich Lust und vorallem Zeit (es gibt noch soooo viele Dinge vor dem Auslaufen zu erledigen) jetzt klar Schiff zu machen. Crews mit mindestens minimalster Erfahrung werden allerdings alles, was durch die Gegend fallen kann vor dem Auslaufen irgendwie krängungssicher verstauen. Hierbei bietet sich zumindest für einen Teil die Spüle an. Für den Rest sollte man, das ist ein gutgemeinter Rat, die dafür vorgesehen Stauplätze in Beschlag nehmen. Dies schließt allerdings ein, daß man zuvor in den sauren Apfel beißt und schon mal das gröbste wegspült. Es ist natürlich logisch, daß man das Spülbecken, in dem mittlerweile, was weiß ich, was liegt, um auf See gespült zu werden randvoll mit Wasser macht, damit auch ja nichts anknostert. Sonst geht das später nämlich zu schwer ab. So, jetzt hat die Backschaft erstmal Pause. Pause?? Nein, natürlich nicht. Jetzt wird erstmal abgelegt und die Segel werden gesetzt. Bei ruhigem Wetter hört man eventuell kaum vernehmlich das leise Klappern der in der Spüle zwischengelagerten Gegenstände und irgendwann einen Schrei des ersten, der hinunter geschaut hat. Oh Gott, was ist passiert???? Hat sich einer was angetan??? Nein, ich muß auch hier sagen, natürlich nicht. Was aber bis zu diesem Zeitpunkt keiner als alarmieren wahrgenommen hat, ist die Tatsache, daß das Boot mit gesetzten Segeln krängt! Wir erinnern uns an die randvoll mit Wasser aufgefüllte Spüle??!!!! Bingo!!!! Die Backschaft ist nun festentschlossen, alles vor Übergabe der Verantwortung in Ordnung zu bringen und spült und putzt nochmal (teilweise wohl unnötigerweise) alles.

Es ist jetzt gegen zwölf Uhr (Ortszeit): Der erste brüllt: "Hunger". Wer hat heute Mittag eigentlich Backschaft??? Was gibt es eigentlich zu essen??? Wer ist dran mit Kartoffeln schälen??? (Aufgrund der riesigen Sauerei und Arbeit rate ich dringen ab. Nudeln erfüllen auch ihren Zweck!) Nun geht das große kochen los. Wer Details erfahren möchte, schaue bitte im Kochbuch auf dieser Seite nach. Der Einfachheit halber und um wenigstens die nötigsten Schwierigkeiten anzusprechen, kocht unsere Beispielcrew heute einfach mal Büchsengulasch.

Wo waren wir stehengeblieben? Ach ja, irgendjemand mault, daß er Hunger hat. Keine Reaktion. Fünf Minuten später ein anderer: "Ach, jetzt was essen wär nicht schlecht. Ich hab zwar noch nicht richtig Hunger, aber Appettit hätte ich schon." Darauf das Grüngesicht: "Würg, kotz,... Ich kann gar nicht verstehen, wie Ihr an essen denken könnt." "Wer hat eigentlich heute Backschaft? Gibt es Freiwillige???? Okay, ich geh mal auf den Plan gucken! "Würg, kannst Du Dir sparen. Ich hab heute Backschürg!" "Okay, wer übernimmt seine Schicht??" Skipper diplomatisch: "Du!" "Scheiße!". Der arme Ersatz geht unter Deck. "Verflixt, wo haben wir denn die Dosen verstaut?? Kann mir mal jemand suchen hehehehelfen. Könnt Ihr nicht die Wende ankündigen???!!!" Ah, Dosen gefunden. "Wo ist aber der Dosenöffner?" "Gestern im Sturm bei 3 Beaufort über Bord gegangen!" "Hat jemand ein Taschenmesser mit Dosenöffner??"

Jetzt ist alles im Topf und bereit zum Kochen. Es folgen die Gedanken des Kochs: Wie geht dieser scheiß Herd eigentlich. Wie Gasherd? Ich kenne mich nur mit Elektroherden aus. Na gut, kann ja gar nicht so schwierig aus. Einfach den Regler drehen und Streichholz dran halten. Wieso kommt denn keine Flamme??? Ach so, ja man muß den Regler reindrücken. Es kommt immer noch keine Flamme!! "Kann das sein, daß die Gasflasche leer ist??? Wie sie ist gestern erst ersetzt worden?!!?" "He, was für ein Gasventil?????" Ah jetzt ja. Versuchen wirs nochmal. Regler drehen gedrückt halten... Scheiße, vergessen das Streichholz anzuzünden. Also Streichholz anzünden, Regler drücken und halten und "Autsch! Mist, Finger verbrannt!"

Endlich ist das Essen fertig und hat sogar wider Erwarten komischerweise geschmeckt! Was jetzt mit den versifften Tellern? Ach, wir tauchen sie einfach ins Kielwasser, dann sind sie wenigstens schon grob gereinigt! Gedacht, getan. "Ääh, könnten wir vielleicht noch mal kurz zurückfahren??!?" "Hast Du nen Knall, gerade wo wir so schön die Segel gestellt haben und hoch am Wind segeln??!" "Nein, ich habe keinen Knall, aber einen Teller verloren"...

Tja, liebe Segler und alle, die es noch werden wollen, das meiste, was ich Euch jetzt erzählt habe, hört sich vermutlich - zumindest für Segelneulinge - unheimlich unglaublich an. Aber ich kann Euch sagen: So unglaublich ist das alles gar nicht. Im Gegenteil.

Im Übrigen erhebe ich keine Ansprüche auf Vollständigkeit. Wer das Thema gerne vollständig auf unserer Seite haben möchte, ist herzlich eingeladen, sich zu verewigen.

Ansprüche, die aus diesem Text entstehen könnten, inklusive dem Abbrennen einer Yacht beim Kochen, weil man sich an meine Anweisungen bezüglich den Anzündens des Herdes gehalten, können nicht gestellt werden. Ich schließe nochmals klar und deutlich jedwede Art von Haftung aus.

 Euer

Sebastian Ochs (Verklicker)

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Stand: 20. April 1999